Kobalt, Nickel und Lithium gehören zu den wichtigsten Rohstoffen der Energiewende und der digitalen Transformation. Viele der grössten Rohstoffquellen befinden sich in Entwicklungsländern, die bei früheren Rohstoffbooms wirtschaftlich wie politisch eher gar nicht profitiert haben.
Ein Beispiel ist die Demokratische Republik Kongo, einer der weltweit grössten Kobaltproduzenten, die oft mit dem sogenannten «Ressourcenfluch» in Zusammenhang gebracht wird. Das Land hat in den letzten Jahrzehnten zwar grosse Mengen wertvoller Ressourcen gefördert, litt aber gleichzeitig unter mangelnder wirtschaftlicher Diversifizierung, endemischer Armut, langwierigen bewaffneten Konflikten, schwachen Institutionen und Umweltzerstörung.
Heute erwarten Investoren und die Zivilgesellschaft, dass die Energiewende Lösungen bietet und nicht Teil des Problems wird. Wie können rohstoffreiche Entwicklungsländer und ihre Bürger vom sich abzeichnenden Rohstoffboom profitieren, ohne die Umwelt zu schädigen? Welche Lehren können wir aus den vergangenen Entwicklungen ziehen?
Seit den 1990er Jahren haben Entwicklungsökonomen das ‘Paradoxon des Überflusses’ untersucht: Ressourcenreiche Länder weisen tendenziell schwächere Entwicklungsergebnisse auf als ressourcenarme Länder. Die Forschungsergebnisse deuten dabei auf negative wirtschaftliche, politische und ökologische Dynamiken hin:
1. Einnahmen ausländischer Devisen, die mit einem Rohstoffboom einhergehen, führen tendenziell zu einer Aufwertung der heimischen Währung. Importe werden in der Folge billiger und konkurrieren mit der einheimischen Produktion. Parallel dazu verlieren die Exporte von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Industrieprodukten auf den internationalen Märkten an Wettbewerbsfähigkeit. Dies führt im Erzeugerland zu einer mangelnden wirtschaftlichen Diversifizierung. Rohstoffreiche Volkswirtschaften sind daher sehr anfällig auf Preisschwankungen.
2. Auch führen Steueroptimierung und illegale Finanzabflüsse aufgrund falscher Preisgestaltungen und missbräuchlicher Anwendung von Verrechnungspreisen zu einer Verminderung der Steuerbasis und somit zur Unmöglichkeit, Profite aus der Rohstoffgewinnung in nachhaltige Entwicklung zu reinvestieren.
3. Erzeugerstaaten, welche einen Grossteil ihrer Einnahmen aus der Rohstoffgewinnung beziehen, kümmern sich tendenziell weniger um ihre Bevölkerung. Eine korrupte Klientelpolitik wird betrieben, die Unterstützer werden belohnt und Gegner unterdrückt. Zudem gibt es oft bewaffnete Konflikte, die auf die Kontrolle von Abbauzonen und Handelsrouten abzielen.
4. Bergbautätigkeiten haben schwerwiegende Auswirkungen auf die Umwelt. Giftige Chemikalien werden ohne angemessene Sicherheits- und Abhilfemassnahmen eingesetzt. Verschmutzte Flüsse und Grundwasserleitungen schaden der öffentlichen Gesundheit und dem Agrarsektor. Schliesslich hat der kleingewerblich betriebene Bergbau oft dramatische soziale und ökologische Folgen.
Obwohl solche Auswirkungen nicht gänzlich verhindert werden können, gibt es doch viele Beispiele von Förderländern, die sie in den Griff bekommen haben. Zum Beispiel Chile im Umgang mit der Kupferpreisvolatilität und Haushaltsplanung, oder Norwegen mit seinem Staatsfonds für künftige Generationen. Heute muss jedoch ein radikales Umdenken stattfinden, das weg von kurzfristigen Jahresumsätzen und hin zu einer langfristigen Ausrichtung der Bestände führt. Dies heisst weg vom BIP-Wachstum hin zu Konzepten von schwacher und starker Nachhaltigkeit, die in der Umweltbilanzierung verwendet werden: ein Land, das nicht erneuerbare Ressourcen abbaut, erschöpft sein Naturkapital; um seinen Gesamtwohlstand zu erhalten, sollte es demnach eine entsprechend Werteinlage in sein Sach- und Humankapital tätigen. In diesem Zusammenhang sind drei Prioritäten hervorzuheben:
Steuerkapazität: Erzeugerstaaten müssen in der Lage sein, ausreichende finanzielle Mittel für Investitionen in Gesundheit, Bildung, Infrastruktur usw. zu mobilisieren. Die von der OECD geleitete Reform des globalen Steuersystems ist ein Schritt in die richtige Richtung, zum Beispiel im Hinblick auf den globalen Mindeststeuersatz für Unternehmen. Dieser Standard ist jedoch für stark rohstoffabhängige Länder nicht geeignet. Alternative Steuerabschöpfungsgrundlagen könnten geeigneter sein, um Staaten mit schwachen Steuer- und Abgabenkapazitäten zu ermöglichen, die notwendigen Mittel für Investitionen in Sach- und Humankapital zu generieren.
Wertschöpfungskette: Die Energiewende soll die Herstellung von lokal produzierten Zwischenprodukten (z. B. Kathoden für Batterien) fördern, was zu einer verstärkten Diversifizierung der Wirtschaft führen würde. Auch soll die Lieferung von Rohstoffen für Solar- und Windenergie in den Norden dazu führen, dass im Gegenzug entsprechende Technologien in den Ursprungsländern eingesetzt werden, die die Energiearmut bekämpfen und die Entwicklung vorantreiben sollen.
Verwaltung der Einnahmen: Staatsfonds können eine wichtige Rolle zur Bekämpfung von Währungsaufwertungen spielen, indem sie die Kursschwankungen während einer erhöhten Rohstoffnachfrage neutralisieren. Die gute Verwaltung solcher Fonds erfordert eine wirksame Aufsicht und Kontrolle, die im Umfeld schwacher Institutionen nur langsam verbessert werden kann. In diesem Zusammenhang können breitaufgesetzte Initiativen für Transparenz in der Rohstoffindustrie zu einer gegenseitigen Kontrolle beitragen und produzierte Ressourcenrenten entsprechend den Entwicklungsprioritäten zuteilen. Erhöhte Transparenzanforderungen können zudem das Diskriminierungsgefühl benachteiligter Gruppen verringern und zu einer besseren Rückverfolgbarkeit der Profite führen. Technologische Fortschritte wie die Blockchain-Technologie, intelligente Container, georeferenzierte Daten und dergleichen bieten in dieser Hinsicht ein interessantes Potenzial.
Umwelt: Die Verkleinerung des ökologischen Fussabdrucks des mit der «grünen Wirtschaft» verbundenen Rohstoffbooms ist entscheidend. Parallel zum industriellen Bergbau müssen Millionen von Menschen im handwerklichen Bergbau ihren Lebensunterhalt unter katastrophalen sozialen und ökologischen Bedingungen verdienen. Die unbewilligten Aktivitäten rund um den Gold- und Coltan-Bergbau sind nur zwei Beispiele, obwohl auch dort die Bergbautätigkeit de facto durch offizielle und inoffizielle Behörden reguliert und besteuert wird. Plötzliche Verbote des informellen Bergbaus bedrohen die Lebensgrundlagen unzähliger Haushalte. Schrittweise und umgebungsspezifische Massnahmen sind daher unerlässlich, um diesen Minenarbeitern ökologisch vertretbare und menschenwürdige Alternativen für ihren Lebensunterhalt zu bieten.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass zahlreiche Möglichkeiten und Lösungen bestehen, um den mit der Energiewende und der digitalen Transformation verbundenen Risiken zu begegnen. «Business as usual» wird aber nicht funktionieren. Staaten, Unternehmen, die Zivilgesellschaft und die Wissenschaft sind gefordert, gängige Vorstellungen zu hinterfragen, aus der Vergangenheit Lehren zu ziehen und daraus neue Ansätze zur Bändigung des Ressourcenfluchs zu entwickeln.