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Eine für die Schweiz immer wichtigere Branche 

In den letzten Jahren hat der Handel mit Rohstoffen im helvetischen BIP erheblich an Bedeutung gewonnen.

Der russische Angriff auf die Ukraine hat eine Energiekrise in Europa verursacht. Rohstoffhändler spielten eine entscheidende Rolle, manchmal handelten sie proaktiv, wenn sie die Nachfrage vorhergesehen hatten.
KEYSTONE
Der russische Angriff auf die Ukraine hat eine Energiekrise in Europa verursacht. Rohstoffhändler spielten eine entscheidende Rolle, manchmal handelten sie proaktiv, wenn sie die Nachfrage vorhergesehen hatten.
Frédéric Lelièvre
CEO et Rédacteur en chef - L'Agefi
Jan Schwalbe
Finanz und Wirtschaft - Editor-in-Chief
17 mars 2023, 7h00
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Das Jahr 2022 werden die Handelshäuser wohl kaum vergessen. In nur zwölf Monaten hat der Rohstoffhandel tektonische Veränderungen erlebt, die sich in einem ungewöhnlich schnellen Tempo vollzogen. Das sind die fünf wichtigsten Gründe dafür: 

Zuallererst hatte das Ende der Covid-Beschränkungen in den Industrieländern eine rege Nachfrage nach Rohstoffen ausgelöst, während China immer noch abgeschottet war. Glücklicherweise beendete Peking schliesslich seine Null-Covid-Politik, aber deswegen waren die globalen Lieferkettenstörungen noch nicht zu Ende.

Der zweite Grund war der russische Angriff auf die Ukraine, der eine Energiekrise in Europa verursacht und die Ernährungssicherheit in vielen Teilen der Welt beeinträchtigt hat. 

Drittens, in Verbindung mit dem Krieg, die zunehmenden Feindseligkeiten zwischen den USA und China. Dies führte zu Diskussionen und wortstarken Erklärungen – statt Taten – über die Deglobalisierung oder das sogenannte Friendshoring von Produktionskapazitäten. 

Viertens hat eine höhere Inflation als erwartet die meisten Zentralbanken zu einer drastischen Anhebung ihrer Zinsen gezwungen und damit die Ära des Gratisgeldes beendet. Einige Finanzinstitute haben ihr Engagement in der Finanzierung des Rohstoffhandels daher verringert. 

Fünftens hat sich die Energiewende beschleunigt. Dies hat einen Anstieg der Nachfrage nach allen Arten von Rohstoffen zur Folge, die für die Dekarbonisierung der Wirtschaft nötig sind. Auch die Geopolitik spielt eine wichtige Rolle: Die USA wie auch die EU haben neue grüne Massnahmen eingeführt, die miteinander konkurrieren und China bei der Versorgung mit wichtigen Mineralien wie seltenen Erden herausfordern. 

Rohstoffhändler spielten in all diesen fünf Schlüsselbereichen eine entscheidende Rolle. Manchmal handelten sie proaktiv, wenn sie die Nachfrage vorhergesehen hatten. Oft waren sie aber auch unvorhergesehenen Einschränkungen unterworfen, wie etwa den Sanktionen gegen Russland. Diesen neuen Risiken zum Trotz haben mehrere Handelshäuser dank der hohen Preise für Öl, Gas und Weizen einen Rekordgewinn erzielt, insbesondere in der ersten Jahreshälfte 2022. Dies war auch eine gute Nachricht für die Schweiz, ist sie doch Standort zahlreicher Akteure von Weltrang, insbesondere in Genf und Zug. 

Insgesamt kommt die Widerstandsfähigkeit des Rohstoffhandelssektors der gesamten Schweizer Wirtschaft zugute, und zwar in zunehmendem Masse. Gemäss den etwas unpräzisen Angaben der Schweizerischen Nationalbank entfielen Anfang der 2000er Jahre 20% der Schweizer Waren- und Dienstleistungsexporte auf chemische und pharmazeutische Erzeugnisse, 45% auf andere Waren und 35% auf Dienstleistungen. Das Handelsgeschäft – zu einem grossen Teil Rohstoffhandel – spielte damals eine untergeordnete Rolle. Heute machen allein die chemischen und pharmazeutischen Erzeugnisse knapp 30% der Ausfuhren aus, genau wie die anderen Waren und Dienstleistungen. Inzwischen hat auch der Handel zugenommen und steht nun für 15% des Gesamtvolumens. 

Gleichzeitig hat sich der Anteil des Rohstoffhandels am Schweizer Bruttoinlandprodukt innerhalb weniger Jahre verdoppelt und im Jahr 2021 fast 8% erreicht. Das ist fast so viel wie der Beitrag des Finanzsektors. Dies ist eine weitere wichtige Veränderung, die man im Auge behalten sollte.