• Vanguard
  • Changenligne
  • FMP
  • Rent Swiss
  • Gaël Saillen
S'abonner
Publicité

Ein neuer Zyklus

ÉDITORIAL -

Ein neuer Zyklus
15 mars 2021, 0h01
Partager

Geschrieben mit Jan Schwalbe, Editor in Chief, Finanz und Wirtschaft

2020 war für die Rohstoffhändler ein Jahr mit ungewöhnlichen Schocks, die sie auf eine beängstigende Achterbahnfahrt zwangen. Zunächst traf die Covid-19-Pandemie sie hart. Gesundheitliche Einschränkungen rund um den Globus lösten in den meisten Ländern, ob fortgeschritten oder entwickelt, eine scharfe Rezession aus. Die Preise von Rohstoffen wie Öl und Metallen, die stark mit der globalen Konjunktur zusammenhängen, fielen entsprechend. Gleichzeitig verursachte die Pandemie Produktionsausfälle auf einigen Märkten für weiche Rohstoffe, wie z. B. Speiseöle, was die Preise für einige Lebensmittel in die Höhe trieb.

Im Gegensatz zu früheren globalen Rezessionen, die langanhaltende Auswirkungen hatten, erholten sich die meisten Rohstoffmärkte jedoch schnell von dem Preisschock. Die Kombination aus Angebotskürzungen durch die OPEC+ und einem schneller als erwarteten Aufschwung der chinesischen Wirtschaft hat die meisten Rohstoffpreise wieder steigen lassen, viele von ihnen erreichten dasselbe Niveau, welches sie vor der Pandemie hatten.

Externe Schocks waren jedoch nicht die einzigen, die den Rohstoffhändlern zu schaffen machten. Das vergangene Jahr war auch ein Jahr der Betrugsfälle. Sie fanden hauptsächlich in Südostasien und im Nahen Osten statt, aber die Schweiz war nicht isoliert. Schweizer Banken, die auf Handelsfinanzierung spezialisiert sind, erlitten mindestens eine halbe Milliarde Schweizer Franken an Verlusten. Die Folge war, dass einige Akteure das Geschäft aufgaben. Dennoch sollte das Jahr 2020 auch für einige positive Entwicklungen in Erinnerung bleiben. Insbesondere stimmte das Schweizer Volk gegen die Konzernverantwortungsinitiative und stattdessen für einen von der Regierung entworfenen sogenannten "Gegenvorschlag", der die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Rohstoffhubs berücksichtigt. Diese zukünftigen gesetzlichen Bestimmungen werden der Rohstoffindustrie helfen, sich weiterzuentwickeln und nachhaltiger zu werden. Die Abstimmung war ein Zeichen des Vertrauens, nicht nur in die Branche, sondern auch darüber hinaus und unterstrich die wichtige Rolle, die multinationale Unternehmen für die lokale Wirtschaft spielen.

Was ist im Jahr 2021 zu erwarten? Die Branche ist zurück bei den «fundamentalen Grundsätzen», wie diese Sonderausgabe aufzeigt. Und es geht nicht nur darum, die Weltwirtschaft mit den wichtigsten Zutaten zu versorgen, die sie braucht. Die Branche beginnt auch einen neuen Zyklus und zwar aus mindestens zwei Gründen.

Erstens. Die Welt befindet sich in einem Aufschwung nach der Gesundheitskrise, da die Pandemie mehr oder weniger unter Kontrolle ist. Impfstoffe werden auch die Weltwirtschaft ankurbeln und ihr helfen, sich zu erholen. Das wird der Rohstoffindustrie zugutekommen, weil sie im Zentrum der Produktionstätigkeit steht.

Zweitens. Viele Länder nehmen die Pandemie zum Anlass, ihre Wirtschaft auf Vordermann zu bringen. Rohstoffhändler werden eine Schlüsselrolle spielen, wenn es darum geht, Infrastruktur aufzubauen und Elektrofahrzeuge zu produzieren oder die Ziele des Pariser Abkommens zum Klimawandel zu erreichen. Vergessen wir nicht, dass es auch die Notwendigkeit gibt, die Welt auf nachhaltigere Weise zu ernähren.

Zusammengenommen könnten diese beiden Gründe durchaus zu einem neuen "Superzyklus" führen, d.h. zu einem säkularen Trend, der die Rohstoffpreise über den jüngsten Aufschwung hinaus nach oben treibt. Dies würde geschehen, weil die steigende Nachfrage nur langsam durch ein nachlaufendes Angebot gedeckt wird. Seit 1900 hat es vier solcher Superzyklen gegeben. Die ersten beiden ereigneten sich nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, mit dem Wiederaufbau. Der dritte fand während des Ölpreisschocks in den siebziger Jahren statt. Der letzte kam mit der rasanten Industrialisierung Chinas in den frühen 2000er Jahren. In diesem potenziellen neuen Superzyklus könnte der Ölpreis nach Ansicht von Experten durchaus die Marke von 100 USD pro Barrel erreichen, bevor er einen Stillstand erreicht, da die Welt auf alternative, weniger CO2-intensive Energiequellen umsteigen wird. All dies bedeutet, dass es für die Schweizer Rohstoffdrehscheibe noch viele Möglichkeiten gibt.

Eine letzte Transformation wäre allerdings noch nötig. Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern bleibt ein Thema, aber es könnte Licht am Ende des Tunnels geben. Einige Unternehmen beginnen damit, mehr Frauen in Spitzenpositionen zu berufen. Sie könnten wiederum zu Vorbildern werden und andere Frauen dazu inspirieren, eine Karriere in der Rohstoffwelt in Betracht zu ziehen.