Bis zum Angriff auf die Ukraine war nicht viel über Düngemittel bekannt. Der plötzliche Preisanstieg dieses Rohstoffs hat jedoch seine Wichtigkeit für die Lebensmittelproduktion aufgezeigt. 50% der Weltbevölkerung erhält dank Dünger entsprechende Lebensmittel auf den Tisch. Stickstoff, Phosphat und Kali sind die drei Nährstoffe, die die Pflanzen zum Wachsen brauchen und die gesunde Anbauprozesse gewährleisten. Stickstoff ist dabei der wichtigste Dünger, auf welchen die Landwirtschaft in keiner Weise verzichten kann.
Das anfangs des 20. Jahrhunderts entwickelte Haber-Bosch-Verfahren ermöglicht seither die industrielle Herstellung von Ammoniak. Dieses revolutionierende Verfahren ermöglicht die Anwendung von Stickstoffdünger auf Ammoniakbasis in der Agrarwirtschaft. Der effizienteste und wettbewerbsfähigste Rohstoff für die Ammoniakproduktion bleibt Erdgas. Vorwiegend in China gibt es aber auch eine bedeutende Harnstoffproduktion auf Kohlebasis.
Die wichtigsten Stickstoffdüngerhersteller befinden sich demnach in Ländern, die über grosse Mengen Erdgas verfügen. Dies sind hauptsächlich die USA, Nigeria, Nordafrika, Länder aus dem Arabischen Golf, aus Südostasien und vor allem RUSSLAND. Russland spielt eine doppelte Rolle: das Land belieferte die europäische Stickstoffindustrie mit Erdgas und exportierte selbst weltweit stickstoffhaltige Düngemittel. Die gegen Russland verhängten Sanktionen hatten dramatische Folgen: weniger Erdgas für Europa und weltweit eingeschränkte Düngemittellieferungen, was sich stark auf die Lebensmittelversorgung Afrikas auswirkte. Aufgrund der Sanktionen und der Sabotage der Nord-Stream-Pipeline hat die europäische Stickstoffindustrie stark an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Die europäische Produktion wurde teilweise eingestellt, was zu höheren Düngemittelpreisen führte und die Nahrungsmittelproduktion beeinträchtigte. Dies wiederum verursachte einen weltweiten Preisanstieg bei den Nahrungsmittel und bedrohte Afrika und Südasien mit reellen Hungersnöten.
Europa hat glücklicherweise zwei milde Winter hinter sich, was den Erdgasverbrauch drosselte. Erdgasvorräte konnten mittels Lieferungen von Flüssigerdgas (sog. LNG) aus Katar, den USA, Ägypten und Russland wieder aufgebaut und gesichert werden. Aufgrund der Reserven und der geringeren Nachfrage sind die Preise erneut gesunken, was letztendlich die europäischen Stickstoffproduktion wieder angekurbelt hat.
Der LNG-Markt wird jedoch mindestens bis 2025 angespannt bleiben. Dann sollten neue LNG-Kapazitäten für Europa bestehen. Es ist aber nicht sicher, dass auch der nächste Winter so mild ausfallen wird. Ein kälterer Winter könnte die Nachfrage nach Erdgas wieder ansteigen lassen, was die LNG-Zulieferungen allein nicht abdecken könnten. Die Produktion von Stickstoffdünger in Europa wäre erneut gefährdet. Dieses Beispiel verdeutlicht die enge Verbindung zwischen Erdgas, Düngemitteln und der weltweiten Nahrungsmittelproduktion. Ein stabiler und wettbewerbsfähiger Zugang zu Erdgas ist daher unerlässlich, um die Lebensmittelversorgung der Erdbevölkerung zu gewährleisten.